zurück zum Inhaltsverzeichnis

Chronik des Sportgeländes am Zeesener See
Am 4.7.1998, anläßlich des 70-jährigen Bestehens des Vereins, herausgegeben.
Für diese Seite wurden nicht alle Bilder der Orginalausgabe verwendet.



Die Jahre 1928 - 1933

Die seit 1906 bestehende Familiengruppe Süden der “Deutschen Luftbadgesellschaft e.V.“ hatte nur ein kleines Gelände – Größe ungefähr zwei Faustballfelder - in Neukölln an der Grenzallee inmitten einer Kleingartenanlage gepachtet, das durch einen mehr als drei Meter hohen Bretterzaun gegen Sicht geschützt war. Deshalb entschloss sich an einem Julitag des Jahres 1928 Paul Gabler, Vorsitzender der Familiengruppe Süden der „Deutschen Luftbadgesellschaft e.V.“, vom Bauern Friedrich Drebelhof in Senzig ein Gelände, am Zeesener See gelegen, zu pachten, das bis zur kleinen Wiese - bestehend aus den heutigen Bürgermeisterbereichen Kinderland, Mückengrund, Mitte und Wiesengrund - reichte.

Von den heute auf dem Sportgelände lebenden Mitgliedern hat niemand diesen Augenblick miterlebt, der so bedeutungsvoll für viele Generationen junger und älterer Freizeitsportler werden sollte. Dieses Gelände wurde 1931 durch Pachtvertrag um den jetzigen Bürgermeisterbereich Bergland (früher „Neues Gelände“) auf 156 Morgen (ca. 40 ha bzw. 400.000 m˛) erweitert. Es erstreckt sich somit zwischen Körbiskruger Straße im Osten und Zeesener See im Westen, zwischen einem schmalen Waldweg am Ende von Waldesruh im Norden und den morastigen Wiesen im Süden, und nimmt ca. 500 Meter in der Breite und etwa 800 Meter in der Länge ein. Damals durften jedoch auf diesem neuen Gelände keine Zelte aufgebaut werden. Es sollte natürlich bleiben. Der Weg zum Gelände führte schon damals von Königs Wusterhausen aus durch den Wald nach Senzig, nur säumten ihn weniger Häuser und Bungalows als heute. Vier Kilometer, meist zu Fuß oder per Fahrrad zurückgelegt, waren für den Großstädter kein Hindernis, um dem Häusermeer zu entfliehen.

Hella Kinne, die zu den Mitgliedern zählt, die am längsten auf dem Gelände am Zeesener See waren, verdanken wir einen lebendigen Bericht über diese Anfangsjahre:
„Im April 1929, als das Wetter etwas wärmer wurde, suchte mein Vater krampfhaft nach einem Ort, wo er sonnenbaden konnte. Er kaufte sich eine FKK-Zeitschrift und studierte sämtliche Annoncen. Dabei stieß er auf ein lnserat, in dem eine Familiengruppe Süden unter der Dachorganisation Deutsche Luftbadgesellschaft e. V. (DLG) ein Gelände am Zeesener See hatte. Mein Vater schrieb an die DLG und erhielt umgehend Antwort. Wir sollten uns an einem Sonntag, etwa gegen 9:00 Uhr, an der Chaussee einfinden, wo es rechts ab geht nach Körbiskrug und heute der Körbiskruger Weg beginnt. Eine Siedlung Waldesruh bestand auch noch nicht, es wurden allerdings schon die ersten Grundstücke eingezäunt und bebaut. Wir wurden von einem älteren Herrn empfangen, der im Straßengraben saß und uns schon erwartete. Er führte uns zum Uferweg des Zeesener Sees, und wir wanderten ihn entlang, bis wir das Gelände erreichten und plötzlich vor einer offenen Halle standen. (Bei der Halle handelte es sich um die erste Stufe des heutigen Kulturbaus. D.A.) Der jetzige Eingang am Körbiskruger Weg entstand wohl erst ein Jahr später.

Die offene Halle, in der wir uns ausziehen sollten, war mit Bänken und Haken ausgestattet. Meine Mutter hatte schon den ganzen Weg über geschimpft, daß sie sich scheiden lassen würde, weil mein Vater auf seine alten Tage (er war 51, meine Mutter 50 und ich zehn Jahre alt) verrückt werden würde. Nun begann das Dilemma, daß sich meine Mutter ausziehen sollte. Sie fügte sich nur schwer, nahm vor ihre Brust ein langes Handtuch, und hinten hielt sie ihre Handtasche. So liefen wir ausgezogen umher und wurden mit allen möglichen Leuten bekannt gemacht. Ich wurde von den Kindern eingeladen, in eine Schubkarre zu klettern, und war so begeistert von den neuen Spielgefährten, daß ich bei den Eltern betteln wollte, dort jedes Wochenende hinzufahren. Es gab Gemeinschaftstische und Gemeinschaftskochstellen. Letztere waren von jeder Seite mit Blech beschlagen, so daß man sofort seinen Spirituskocher aufstellen und sein Essen zubereiten oder wärmen konnte.

Meine Mutter - inzwischen schon ein klein wenig heimisch geworden – war aber doch noch aufgeregt, so daß ihr beim Aufwärmen unseres Essens alles in den Sand fiel. Viele Hände griffen plötzlich zu und machten uns mit schönen Dingen satt, die wir vorher gar nicht hatten. So begannen die ersten Freundschaften, die, wie es bei meinen Eltern und auch bei meinen Schwiegereltern war, bis zum Tode bestanden.

Wir spielten damals Medizinball, Tischtennis und machten öfter am Tage Gymnastik. Es fand sich immer einer, der sie leitete. Das große Vorbild dafür war Adolf Koch, den wir in der Badeanstalt Gartenstraße kennenlernten, die unsere Gemeinschaft jeden Sonnabendabend gemietet hatte, und in der Adolf Koch seine Gymnastikstunden abhielt. Einige Mitglieder hatten schon ein Zelt. Meine Mutter beschloß, noch im gleichen Jahr ein Zelt zu kaufen, und so ging das Gemeinschaftsleben bei uns los.

Durch Werbung wurden wir immer mehr, und es entstand bald eine schöne Zeltstadt. Der Wald war noch dicht bewachsen, die Zelte kaum zu sehen, so standen sie in den Kuscheln. Jetzt begann man auch mit Faustballspielen, das für viele Jahre zum Spiel Nummer Eins wurde.“


Wie aus den erhalten gebliebenen Unterlagen hervorgeht, war man auch damals schon bemüht, den Mitgliedern im Rahmen des Machbaren ordentliche Bedingungen zu bieten. So wurde die Gebrauchsfähigkeit des Trinkwassers überprüft (1930) und innerhalb von zwei Monaten (1931) eine Wetterschutzhütte für 3.350 Goldmark errichtet. Die Kosten, die 1930- Familie Gliewe sich durch die Bezahlung in Raten und die Zinsen bis 1933 noch etwas erhöhten, spiegeln wider, daß es dem Verein nicht leicht gefallen ist, das Geld, das ja aus den Beiträgen der Mitglieder stammte, aufzubringen. Auch Hella Kinne erinnert sich noch an diesen Bau:
„1931 wurde eine zweite Halle (Schlafbaracke) gebaut, wo alle Freunde übernachten konnten, die keine Möglichkeit hatten, ein Zelt zu erwerben. In der Baracke schliefen auf der einen Seite Familienmitglieder, auf der anderen - getrennt voneinander - Frauen und Männer. Die jetzige Küche an der offenen Halle war früher ein Geräteschuppen.

Auf dem Gelände hatte etwa 1930 Frau Bock eine kleine Verkaufsstelle enichtet, wo man fast alle Lebensmittel kaufen konnte. Frau Bock besaß zu dieser Zeit das Haus mit einem schönen Restaurant in der Körbiskruger Straße, das heute noch besteht, aber einen anderen Eigentümer hat. Circa zwei Jahre später wurde Frau Bock durch Erna Dietrich abgelöst, die Mitglied unserer Gemeinschaft war.“


Übrigens hatte Erna Dietrich, deren Eltern ein Kolonialwarengeschäft in Senzig betrieben, ein gutes Warenangebot an Lebensmitteln, die sie mit einem Handwagen zum Gelände transportierte. Was fehlte, konnte bestellt und am nächsten Tag abgeholt werden. Auch Mittagessen wurde ab 1937 angeboten.

Doch zurück zur Situation unmittelbar vor der Machtübernahme durch die Faschisten. Die Satzungen des Vereins forderten zu dieser Zeit absolute politische Neutralität der Mitglieder. Im Laufe dieser Jahre kamen immer mehr Angehörige aus allen Schichten der Bevölkerung auf das Gelände. „Ich kann mich nicht erinnern, daß es bis 1933 jemals politische Auseinandersetzungen gegeben hätte,“ erzählte uns Gustav Sprenger, der Vorsitzende des Vereins von 1937 - 1945. Das Jahr 1933 aber ging am Mitgliederbestand nicht spurlos vorüber. Zuerst kam das Nacktbadeverbot, dann wurden die jüdischen Mitglieder gezwungen, ihren „freiwilligen“ Austritt zu erklären.

Auch HeIla Kinne hat diese Tatsachen in ihrem Bericht vermerkt. Sie schreibt:
„1933 verließen uns einige unserer angenehmsten Mitglieder. Es begann die Nazizeit. Sie wollten mit den Nazis nichts zu tun haben. Viele andere - auch mein Vater - standen auf dem Standpunkt, daß sie sich von den Nazis das Gelände nicht nehmen lassen wollten.“

Seitenanfang zurück zum Inhaltsverzeichnis


© TSG Südost 96 e. V. Impressum