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Chronik des Sportgeländes am Zeesener See
Am 4.7.1998, anläßlich des 70-jährigen Bestehens des Vereins, herausgegeben.
Für diese Seite wurden nicht alle Bilder der Orginalausgabe verwendet.



Die Jahre 1945 - 1962
Bereits kurz nach Beendigung des II. Weltkrieges suchten Mitglieder des Vereins das Gelände auf. Mit Hilfe der noch seltenen Dampfzugverbindung, auf offenem LKW oder auch zu Fuß pilgerten sie nach Waldesruh. Auf dem Gelände waren inzwischen alle Räume aufgebrochen, und das während der Wintermonate untergestellte Inventar war gestohlen worden. Mit Unterstützung der Polizei wurde bei Hausdurchsuchungen ein Teil der Sachen wiedergefunden und in der Baracke untergestellt. Doch es folgten weitere Einbrüche. Schließlich konnten die Sportfreunde den bereits begonnenen Abbruch der Baracke verhindern. Durch die Beschaffung von Stroh entstanden dort wieder Schlafmöglichkeiten. Gemeinsam mit treuen und aufbauwilligen Mitgliedern der ehemaligen Sportlichen Vereinigung, wie zum Beispiel Karl Bolz, versuchte man, die entstandenen Schäden zu beseitigen und erste Voraussetzungen für den Erhalt des Geländes zu schaffen.

Unterdessen hatte Gustav Sprenger einer Rundfunkmeldung entnommen, dass das Vermögen aller Organisationen angemeldet werden muß. Obwohl er sich nicht sicher war, ob der Sportverein auch zu diesem Kreis gehört, schrieb er am 24. Oktober 1945 an das Bezirksamt Friedrichshain. Im Brief zählte er alles auf, was zum Besitz gehörte: Das Kassenvermögen, die Gebäude, Gerätschaften und dergleichen. Er war schneller als die offiziellen Stellen. Denn erst am 8. November 1945 erfolgte die offizielle Aufforderung durch den Magistrat von Berlin, Abteilung für Volksbildung, Hauptsportamt, eine vollständige und genaue Aufstellung des gesamten Vereinsvermögens unter Angabe, wo sich die aufgeführten Gegenstände befinden, zu übermitteln. Dieses Schreiben basierte auf dem Befehl Nr. 126 der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) vom 31. Oktober 1945 zur Konfiskation des Eigentums der NSDAP, ihrer Organe und der ihr angeschlossenen Organisationen. Zu letzteren gehörte natürlich der NSRL und damit auch die Sportliche Vereinigung.

Nachdem schon 1946 wieder einige Zelte in der Nähe des Sportplatzes aufgebaut worden waren - illegal sozusagen - begann etwa in dieser Zeit auch die Neuorganisierung der Sportbewegung in der damaligen sowjetischen Besatzungszone. Für die Anhänger des Geländes am Zeesener See hieß das Gründung einer „FKK-Sport-Gemeinschaft“. Aber die FKK konnte nicht die Grundlage für die künftige demokratische Sportorganisation sein. Der Aufbau einer Sportgemeinschaft zog sich so bis 1950 hin. Der Zusammenschluß der bestehenden Interessengemeinschaften am Motzener See, am Tonsee bei Motzen, am Pätzer See und in Wildenbruch, zur gemeinsamen Sportgemeinschaft „Freiheit“ war der nächste Schritt. Sie umfaßte die Sektionen Gymnastik, Faustball, Schwimmen, Tischtennis, Schach, Leichtathletik, Wandern und Volleyball. WiIly Bauer wurde der erste Vorsitzende der Geländegemeinschaft am Zeesener See innerhalb der SG „Freiheit“, die damals schon wieder ca. 350 Mitglieder zählte.

Im Mai 1952 durften Mitglieder, die in Westberlin wohnhaft waren, nur noch Ostberlin besuchen, aber nicht mehr in die DDR einreisen. Der Ministerrat der DDR hatte am 26. Mai 1952 beschlossen, eine Sperrzone von fünf Kilometern Breite zu errichten, um “den Arbeiter- und Bauernstaat vor Agenten, Spionen und Diversanten“ zu schützen. Damit entstand die innerdeutsche Grenze, der Schienen- und Straßenverkehr wurde weitgehend reduziert, die Telefonverbindungen zwischen Ost- und Westberlin getrennt. Das die Westberliner Mitglieder darüber sehr traurig waren, ist verständlich. Kurt (Kulle) Kowalski versuchte die Stimmung 1955 in einem Gedicht auszudrücken, das er in Erinnerung an die Sonnenwendfeiern auf dem Gelände schrieb. Darin heißt es u.a.

Das Lied vom Bruder und Genossen - gemeinsam hielt man daran fest -
doch heut ist diese Zeit verflossen, heut‘ teilt man uns in Ost und West

So singt das Lied vom schönen See, singt es für die, die hier vertrieben -
unschuldig - und das tut so weh, das tut so weh, weil wir Euch lieben.

Von Ulla Bauer wissen wir, daß die Kontakte innerhalb Berlins bestehen blieben, aber auf dem Gelände sah man sich nicht mehr. Mit der Errichtung der Mauer 1961 brachen auch die letzten Verbindungen ab.

Im Juli 1953 beschlossen die Mitglieder eine Geländeordnung. Drei Jahre später gab es offiziell eine “Anordnung zur Regelung des Freibadewesens“ (Gesetzblatt der DDR 1/50 vom 6. Juni 1956).

Das Leben auf dem Sportgelände in den fünfziger Jahren glich dem, wie wir es heute noch kennen. Charakteristisch vor allem der regelmäßige Sportbetrieb. Höhepunkte waren zum Beispiel die Pfingstsportfeste. Es wurden auch viele kulturelle Veranstaltungen organisiert, wie Singeabende und Lichtbildervorträge. Durch zahlreiche Arbeitseinsätze in Senzig und die traditionellen, alljährlich stattfindenden Sonnenwendfeiern und Kinderfeste hatte man auch zur Bevölkerung des Ortes Senzig und zum Anglerverein Kontakt.

Außerhalb des Geländes konnten die Sportfreunde ebenfalls mit zahlreichen Aktivitäten aufwarten. Sie reichten von geselligen Veranstaltungen im Bootshaus an der Wuhlheide, von Faustballturnieren, Wettkämpfen, Punktspielen und Teilnahme an DDR-Meisterschaften, über die Beteiligung an den Demonstrationen der Sportler zum 1. Mai in Berlin, bis hin zu Wanderungen, Winterfahrten, Zelten an der Ostsee und den alljährlich durchgeführten Osterfahrten in die schönsten Gegenden der DDR, an deren Organisierung und Durchführung damals vor allem der Sportfreund Herbert Dymke bedeutenden Anteil hatte.

Von 1957 an verlief die Entwicklung praktisch auf zwei Ebenen: in Senzig-Waldesruh und in der TSG Oberschöneweide. Nachfolgend wird versucht, die zwei Entwicklungslinien so übersichtlich wie möglich darzustellen.

Auf territorialer Ebene fand am 6. Juni 1957 im Kulturhaus des VEB TRO „Karl Liebknecht“ die Gründungskonferenz des TSC Oberschöneweide statt. Diese Konzentration war nötig, da in jenen Jahren in Köpenick 40 Betriessportgemeinschaften (BSG) existierten. Im TSC wurden diese Gemeinschaften großer Industriebetriebe vereinigt. Die Bildung von Sektionen stand auf der Tagesordnung. Vorstandsmitglieder wurden Willy Bauer (Touristik) und Werner Schwieger (Faustball). Noch im gleichen Jahr berief man im November eine Jahreshauptversammlung der Sektion Touristik ein, auf der Herbert Dymke als Sektionsleiter und gleichzeitig als Mitglied der Leitung des TSC Oberschöneweide gewählt wurde.

1958 organisierten sich alle bestehenden territorialen Gemeinschaften in Betriebssportgemeinschaften größerer Betriebe. Die Zeesener Geländegruppe schloß sich der BSG „Motor Oberspree“ an, die unter der Leitung des Sportfreundes Woid stand.

Parallel dazu begannen im Jahr 1957 umfangreiche Beratungen auf den verschiedensten Ebenen zur Freikörperkultur. Besonders die Sportfreunde Willy Bauer, Herbert Dymke und Erwin Reisler setzten sich in diesen Beratungen sehr dafür ein, daß Sport und FKK-Betrieb auf dem Gelände erhalten werden konnten. Im April 1957 wird der Bauer Friedrich Drebelhof von der damaligen Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Potsdam aufgefordert, das Baden ohne Badebekleidung auf dem Sportgelände zu verbieten. Die Polizei bezieht sich auf die im Mai 1956 beschlossene „Anordnung zur Regelung des Freibadewesens“ wonach Vereinigungen zur Organisierung, Förderung oder Propagierung der FkK nicht bestehen dürfen.

In einem Schreiben vom Mai 1957 wies Willy Bauer als Sektionsleiter diese Forderungen zurück, da es sich in erster Linie um ein Sportgelände handelt, das vom Rat der Gemeinde Senzig für das unbekleidete Baden freigegeben worden war.

In Sitzungen des Rates der Gemeinde, an denen Herbert Dymke teilnahm, wurden diese Fragen ebenfalls behandelt. Man gelangte zu der Schlußfolgerung, daß von seiten der Gemeinde keine Einwände gegen das Baden ohne Badebekleidung erhoben werden können, da das Gelände von unbeteiligten Personen nicht eingesehen werden kann, und auch die Einwohner von Senzig keine Beanstandungen vorgebracht haben. Diese Stellungnahme der Ratsmitglieder wurde auf der Sitzung des Rates der Gemeinde im Februar 1958 in einem Beschluß niedergelegt.

Es begann dennoch ein langwieriger und heute fast kurios wirkender Briefwechsel um die FKK auf dem Gelände. Zwischen der Polizei, dem Verpächter, dem TSC Oberschöneweide, der Staatanwaltschaft des Bezirkes Potsdam, dem Rat des Kreises KW und dem Bezirksvorstand des DTSB Groß Berlin.

Die Sektion Wandern und Bergsteigen des TSC Oberschöneweide und die Sektion Allgemeine Körperkultur der BSG Rotation Mitte verfaßten im März 1961 ein gemeinsames Schreiben an den Minister des Innern, Karl Maron, in dem sie um eine Aussprache mit einem vom Minister beauftragten verantwortlichen Mitarbeiter baten.

Diese Aussprache in der Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei, an der Oberst Lust, Herbert Dymke und Paul Gabriel (Sektionsleiter Allgemeine Körperkultur BSG Rotation) teilnahmen, fand einen Monat später statt. Es wurde vorgeschlagen, zu prüfen, ob der Paragraph 2 der Freibadeordnung den veränderten Bedingungen noch entsprach, und ihn gegebenenfalls zu ändern, da sich die Anordnung nicht als Hemmnis in der massenpolitischen Arbeit auswirken sollte. In den Monaten Mai und Juni 1961 wurde mehrmals versucht, den Bundesvorstand des DTSB für eine Lösung des Problems zu gewinnen, aber zunächst vergeblich.

In einem gemeinsamen Schreiben der Sektionsleiter und Parteiorganisatoren der Sektionen Wandern und Bergsteigen (TSC) und Allgemeine Körperkultur (BSG Rotation Mitte) an den Bundesvorstand des DTSB wurde auf das Statut verwiesen, in dem die Aufgaben der Organisation nicht so eng formuliert seien wie der Bundesvorstand es sieht. Im Statut hieß es damals zum Beispiel, dass alle in unserer Gesellschaftsordnung gegebenen Möglichkeiten zu nutzen sind, um den Massensport der Werktätigen planmäßig und systematisch zu fördern. Auf dieses Schreiben vom August hin forderte der Bundesvorstand des DTSB im Dezember eine Aussprache, um die genannten Probleme endlich zu lösen. So geschah es denn auch. Die intensiven Bemühungen trugen Früchte.

Lotti Behm hatte Ende der fünfziger Jahre die Betreuung der Kinder und Jugendlichen fest in ihre Hände genommen. Lotti hatte Irina Gast davon erzählt:
“Ungefähr 30 Kinder waren damals Mitglieder der Sektion Wandern und Bergsteigen. Jeden Sonntagvormittag fanden Leichtathletik und Schwimmen, Sonnabend und Sonntag Nachmittag Spiele statt. Am beliebtesten waren die Geländespiele. Bei den Osterfahrten gab es immer ‘Ostereiersuchen nach Kompass‘. Den Auftakt zum Sport für Groß und Klein auf dem Gelände gab es zu Pfingsten. Bei den Kindern begann er mit Maikäfersuchen und Spielen. Einige Male konnten wir auch den Internationalen Kindertag draußen feiern. Eine Kaffeetafel, lustige Wettkämpfe mit kleinen Preisen, machten den Tag zu einem schönen Erlebnis. In den großen Ferien wurde auch in der Woche Sport getrieben und einige Radtouren gemacht. Meist fand ein Neptunfest statt.

Abschluß und Höhepunkt des Sommers war Ende August unser Sommersportfest. Es begann Sonnabend mit einer Lampionkahnfahrt, Umzug und Tanz. Sonntagvormittag waren dann Sportwettkämpfe. Die Punkte wurden gleich für das Sportabzeichen gewertet. Nachmittags war dann der große Umzug in Kostümen des jeweiligen Mottos, z. B. ‘Der Zirkus kommt‘, ‘Im Tierpark‘. ‘Märchenfiguren‘ u.a.. Lustige Wettkämpfe und die Ausgabe von Brause und Keksen beschlossen das Fest.

Ganz großen Anklang fanden unsere Ferienlager. Wir waren in Berlin der einzige Verein, der diese Lager durchführte. Im Sommerlager hatten alle Kinder Räder und im Winterlager alle Brettl. Es war zur damaligen Zeit nicht so einfach, das zu besitzen. So wurde alles zusammengetragen und am Ende sammelte sich bei mir ein ganzes Lager. Alles wurde getauscht und weitergegeben: Stiefel, Brettl, Hosen und Anoraks. Glücklich sind wir dann abgefahren und noch glücklicher zurückgekommen. Unsere Kinder hätten mit den Betrieben ihrer Eltern billiger fahren können, aber unser Vereinsferienlager lag ihnen offenbar mehr am Herzen.“


Welche Gedanken diese verdienstvolle Tätigkeit auslösen kann, beschrieb Bernd Bauer im Namen der “Kinder“ des Sportgeländes für die Chronik:

“Mit der Sportfreundin Lotti Behm, von allen eigentlich nur liebevoll ‘Tante Lotti‘ genannt, verbinden sich für Generationen von Kindern und Jugendlichen unseres Sportgeländes sofort Erinnerungen an eine Vielzahl von herrlichen Kindheitserlebnissen bei gemeinsamem Sport und Spiel. Tante Lotti war seit Beginn der 50er Jahre bis zu ihrem Tode stets Partner der 1967 - Tante Lotti bei der Auswertung des Kindersportfestes Kinder und Jugendlichen. Unermüdlich führte sie an jedem Wochenende in der Saison abwechslungsreiche Kindertreffs durch, war Initiator der traditionsreichen Kinderfeste, gestaltete die Kindernachmittage bei den früher beliebten Winterveranstaltungen, organisierte mit ihren rührigen Helferinnen (Wally Papke, Annemarie Lange und Elli Dymke, d. A. ) die vielen Kinderreisen. Das Wichtigste dabei war eigentlich – und dies ist uns Kindern von damals, die wir heute schon um die fünfzig sind, jetzt besonders bewußt - stets war zu spüren, daß Tante Lottis Einsatz für uns immer von Herzen kam, sie in all den Jahren von sich aus immer wieder nach neuen Ideen und Möglichkeiten für ‘ihre Kinder‘ suchte, sie auch stets ein Ohr für unsere Fragen hatte. Wo in unserer heutigen Leistungsgesellschaft gibt Es solche ‘Tante Lotti‘ noch?

Für sehr viele von uns, die wir auf dem Gelände aufgewachsen sind, werden die Gedanken an unsere Kindheit immer mit lieben Erinnerungen und mit Dankbarkeit an unsere Tante Lotti verbunden sein.“


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